Llanes in Asturien und Agustín Ibarrola, der Baske. Ein renommierter Künstler und eine Kleinstadt an der Biskaya. Ich mag Llanes, und ich bewundere die Arbeit des baskischen Bildhauers. Für mich ist das Zusammentreffen von Stadt und Künstler ein zwingender, kein ungewöhnlicher Kontrast. Zurück in Llanes. España verde empfängt mich angemessen. Es regnet. Nein, es gießt in Strömen. Regentage. In den nächsten Tagen wird es weiter regnen. Das höre ich im Radio, das der Fahrer des Reisebusses einschaltet, kaum sind wir unterwegs. Ein Reisetag. In Burgos lange warten auf den Bus nach Torrelavega. In Torrelavega warten auf den Bus nach Llanes. Ein Tag des Wartens dauert. Selbst die Zeit wird zur Dauer.
In Burgos ziehen Mittags dunkle Wolken auf, doch sie lassen Lücken für die Sonne. Auf der Fahrt nach Torrelavega droht ununterbrochen Regen, ohne sich entscheiden zu können. Als der Bus nach Llanes den unterirdischen Bushof Torrelavega verlässt, hat der Regen seine Ambivalenz endlich überwunden. Die hellgrauen Kumuluswolken in Burgos haben sich im Tagesverlauf in einen dunkelgrau-schwarzen Stratocumulus verwandelt. Auf dem Weg nach Llanes fährt der Bus durch einen heftigen Schauer immer höher hinauf in die kantabrische Kordillere. Die Sicht sinkt auf unter hundert Meter. Die Landschaft löst sich in einem dunstigen Schleier auf. Weich gezeichnet in Grau, ihrer Farbigkeit beraubt. Absolut Stratus.
17 Mai 2024
Ibarrola in Llanes
16 November 2018
Soweit die Füße tragen
Die kleine Herberge in Pobeña hat zwei Zimmer, die mit Etagenbetten vollgestopft sind. Der Schlafraum erinnert an eine Sardinenbüchse, wäre er nicht so groß. In zwei Etagen sind die Pilger übereinander gestapelt. Die Luft ist nachmittags schon verbraucht, und die kleinen Fenster nur gekippt. Zwischen den Betten ist es eng, kaum Platz, sich zu bewegen. Ich arbeite mich über Schuhe und Rucksäcke hindurch zu dem Bett, das mit die Hospitalera, eine freundliche, ältere Frau, die jeden Nachmittag ehrenamtlich die ankommenden Pilger empfängt, zuweist. Als ich meine müden Füße und Beine endlich auf der Matratze ausstrecke, liegt mein Bettnachbar so eng neben mir, dass ich mich wie in einem Doppelbett fühle. Wenn ich die Hand ausstrecke, kann ich die Zimmerdecke über mir berühren. Vielleicht ist es die plötzliche Intimität, die allen nach einem einsamen Tag auf dem Trail zugemutet wird, dass keine Gespräche aufkommen. Alle liegen schweigend auf ihren Betten, lesen oder sind mit ihrem Smartphone beschäftigt. Alle Steckdosen sind belegt, und ich muss ein paar Smartphones anderes arrangieren, damit auch meines an die begehrte Stromquelle kommt. Im Raum ist es dämmrig. Ich sehe niemanden den ich kenne, aber das kann auch daran liegen, dass es um jedes Bett eine unsichtbare Wand gibt. Vertrautheit entsteht nicht so schnell, besonders dann nicht, wenn es keinen Platz gibt, an dem man sich ausbreiten kann. Alle haben sich eingeigelt und blieben für sich. Eine Atmosphäre der Unnahbarkeit breitet sich im Schlafsaal aus.