Ich sehe überall in Bali Ganesha-Statuen in den Hauseingängen, vor den Geschäften und Restaurants, an Kreuzwegen und im Schatten mächtiger Waringinbäume. Die meisten sind reich geschmückt, tragen Blumenketten um den Hals, viele von ihnen sind bunt bemalt, glänzen in ihrem neuen Kleid. In ihrem Schoß und am Sockel ihres Throns häufen sich die Opferkörbchen und steigt betörender Duft zu ihnen hoch. Ganesha fühlt sich wohl und zuhause in Balis wohlhabenden Kreisen, und wäre er nicht aus Stein, er würde vor Fett glänzen. Zufrieden und selbstgefällig präsentiert er seinem wohlgenährten, runden Kugelbauch, den er von den Passanten, die bei ihm vorübergehen, bewundern lässt. Er ist ein Patriarch, ein Beschützer und Wohltäter, der sich seiner Beliebtheit bewusst ist. Siwas elefantenköpfiger Sohn genießt Prestige und er ist überall in Bali populär, wo sich Touristen niedergelassen haben. Das war vor 20 Jahren nicht so, aber inzwischen hat er den im Tourismus engagierten Balinesen Reichtum und Glück beschert.
19 September 2019
05 Juli 2018
Das Glück des Gehens 1
Der Schreibende ist ein Grenzgänger.
Nach seinen Entrückungen kehrt er in die
eigene Welt heim, um sein Lied zu singen,
in dem er seine Gemeinschaft teilnehmen lässt,
was er in der anderen »Welt« erfahren hat.
Michael Obert
In Theodor Fontanes Wanderungen durch die Mark Brandenburg findet sich eine auf den ersten
Blick verstörende Bemerkung: Der Reisende in der Mark muß sich ferner mit einer feineren
Art von Natur- und Landschaftssinn ausgerüstet fühlen. Es gibt gröbliche Augen, die gleich
einen Gletscher oder Meeressturm verlangen, um befriedigt zu sein. Diese mögen zu Hause
bleiben. Es ist mit der märkischen Natur wie mit manchen Frauen. »Auch die häßlichste - sagt
das Sprichwort - hat immer noch sieben Schönheiten.« Die spröde brandenburgische
Landschaft als Flora, Fauna und Klima, durch die der Wanderer geht, bildet den Fokus meines
affektiven Betroffenseins. Rationalisierung und Intellektualisierung haben meine Welt
entzaubert, sodass ich mich inmitten der urbanen Öde eines extremen Mittels bedienen muss,
um mir meiner Herkunft bewusst zu werden: Ich muss wieder zu Fuß gehen. Wo Menschen
früherer Kulturen authentische Erzählungen und Mythen besaßen, breiten sich in meinem Leben
nun komplexe Erklärungen aus, die mir meine Welt nur mit Mühe erklären. Was Landschaft
bedeutet, ist nicht durch deskriptive Beschreibungen oder beeindruckende
Hochglanzfotografien zu verstehen. Landschaft, und die Natur, die sie ist, lässt sich nur im
unmittelbaren leiblichen Kontakt erfahren. Novalis liegt mir im Ohr, der versucht hat, die
Landschaft, die ihn umgab, zu spüren wie eine Erweiterung seines Leibs.
Fontanes Statement für Reisende, die sich aufmachen, die Landschaften, Ortschaften und
historischen Hinterlassenschaften Brandenburgs mit feinerem Sinn zu suchen, wurde mein
Leitstern, als es darum ging, die Fremde vor meiner eignen Haustüre zu erkunden. Das
Besondere auch im Gewohnten zu finden, war zu Beginn nur graue Theorie. Ich beschloss im
Nahraum zu wandern, und mich von der touristischen Infrastruktur weitgehend fern zu halten.
Ich fand eine ganz besondere Fremde vor, mit der ich zuerst nichts anfangen konnte.
Brandenburg ist das Umland von Berlin, dachte ich. Aber es ist genau umgekehrt: Berlin ist die
Urbanität Brandenburgs, die sich gegen die scheinbare Leere von Sand und Heide wehrt. Die
Stadt ist in das Land eingehüllt, ganz von Landschaft umschlossen. Durch seine Urbanität und
Internationalität hat sich Berlin bis zur Unkenntlichkeit entbrandenburgt. Dass ist weder gut
noch schlecht, sondern die Gelegenheit, Stadt und Land in unmittelbarer Nähe und Mischung
zu erleben. Aus Berlin kann ich zu Fuß nach Brandenburg gehen; und kreuz und quer durch
Brandenburg zurück nach Berlin.