Nachmittags fahre ich hinauf in die Berge nach Arriondas. In Llanes scheint die Sonne, aber an den Bergen steigen schwarze Wolken auf. Schon die Busfahrt ist spektakulär. Die Landstraße von Ribadasella führt durch das Tal des Río Sella. Zu beiden Seiten des Flusses ragen Berge auf, die Gipfel graues Felsgestein oberhalb der Baumgrenze. Allem Anschein zum Trotz scheint in Arriondas die Sonne, als ich aus dem Bus steige.
Geografisch ist Asturien eine Landschaft im Nordwesten Spaniens, zwischen dem Kantabrischen Meer und der Kantabrischen Kordillere, das im Westen an Galicien grenzt, heute eine politische Verwaltungseinheit, das Fürstentum Asturien (Principado de Asturias), beziehungsweise die Autonome Gemeinschaft Asturien (Comunidades Autónomas). Den Titel Fürst von Asturien (Principe de Asturias) trögt heute der spanische Thronfolger, auch wenn sich daraus keine politischen Aufgaben ergeben. Im 8. vorchristlichen Jahrhundert wurde Nordwestspanien und Nordportugal (Asturien und Galicien) von keltischen Ethnien besiedelt, die in der Archäologie als Träger der eisenzeitlichen Castro-Kultur bekannt sind, deren namengebendes Merkmal befestigte Siedlungen (castros) auf Hügeln waren wie Chao Sanmartín bei Grandas de Salime unweit der asturisch-galicischen Grenze.
Obwohl die Wettervorhersage Regen ankündigt, ist ein schöner Tag mit blauem Himmel, über den ein paar wattebäuschige Kumuluswolken segeln. Beim Frühstück im Café nebenan meinte eine Frau, mit der ich über meine Wanderung nach Cangas de Onís sprach: Jetzt ist die Zeit, in der wir an einem Tag das Wetter jeder Jahreszeit haben. Ich hatte morgens einen kühlen Frühlingstag und am Nachmittag einen warmen und sonnigen Frühsommertag. Geregnet hatte es bereits in der vergangenen Nacht, sodass ich sicher vor neuen Niederschlägen war.
22 Mai 2025
Hypnagon am Río Sella
10 März 2025
Endstation Burgos
Nach und nach, Schritt für Schritt verkleinert sich
alles auf ein natürliches Maß. Die Reduzierung
aufs Wesentliche intensiviert das bewusste Erleben.
Achill Moser
Die Sentenz vom Weg, der das Ziel ist, inzwischen zum Kalenderspruch avanciert, den jeder kennt und gerne zitiert, suggeriert die Parallelität von Gehen und Leben, von der Fußreise, die eine Reise durch das eigene Leben ist, von Entscheidung zu Entscheidung, wie von Ort zu Ort, Schritt für Schritt, ohne sich stets eines konkreten Ziels bewusst zu sein. Auf meinen Fußreisen habe ich gelernt, einen einmal gefassten Plan loszulassen und mich dem Hier und Jetzt hinzugeben.
02 März 2025
Hemingway in Pamplona
Die Welt ist voller offensichtlicher Dinge,
die nie jemand wahrnimmt.
Arthur Conan Doyle
Dem Regionalzug nach Pamplona fehlen die Fahrgäste. Mein Abteil ist fast leer. Dafür habe ich endlich Raum genug, freie Platzwahl, und muss mich nicht drängeln. Verlassene Landbahnhöfe folgen aufeinander. Casetas, Cabañas de Ebro, Pedrola, Gallur, unmerklich, der Übergang von Catalonia nach Navarra, Cortes de Navarra, Ribaforada, Tudela de Navarra, Castejón de Ebro, Villafranca de Navarra, Marcilla de Navarra, Tafalla, Pamplona / Ituña Estación. Die meisten von ihnen vernachlässigt und altersschwach. Defekte Uhren die irgendwann aufgegeben haben. Die Zeit erstarrt.
Gemächlich gleitet der Zug durch die katalanische Landschaft. Die Fenster sind zur Hälfte mit Graffiti bedeckt. Schwarze, rote und grüne Spitzen, die etwas Scharfes, Stechendes haben. Trotzdem gelangt mein Blick nach draußen. Die Landschaft, die vorüberzieht wie auf einem Schirm, ist trocken. Ein mattes Grün, sandbraun gefleckt. Unter einem bleigrauen Himmel macht das Land einen verschmutzten Eindruck. In der Ferne Hügel, eine Barriere, unüberschaubar. Wie wohl das Land auf der anderen Seite aussieht? Nichts lädt mich zum Wandern ein.
17 Juni 2024
Vega de Orandi
Wandern im Schatten der Picos de Europa
Ich will nach draußen gehen;
alter Kummer soll heute vergessen sein,
denn die Luft ist kühl und ruhig, und die Hügel
sind hoch und erstrecken sich bis zum Himmel.
Sylvain Tesson
Es hat die ganze Nacht geregnet, und morgens noch eine Weile. Alles ist nass, und der Himmel perfekt Stratus, eine bleigraue Decke. Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, dass sich dahinter ein ganzes Universum befindet, eine Welt, in der jetzt die Sonne an einem tiefblauen Firmament scheint. Warum schafft sie es nicht, wenigstens ein paar Löscher in dieses bleierne Grau zu brennen?
Während ich noch beim Frühstück bin, kann ich mir nicht mehr vorstellen, an die Seen von Covadonga zu wandern. Es ist spät geworden, bevor der Regen aufhört, und dass es bald wieder regnen wird, ist zu erwarten. Wenn ich trotzdem an die Covadonga-Seen aufbreche, bekomme ich keinen Bus mehr zurück nach Arriondas. Für Wanderungen in den Picos de Europa benötigt man ein Auto. Eigentlich weiß ich das, denn es ist nirgendwo anders. Verkehrswende und Naturerlebnis für stadtmüde Großstädter hin oder her.