Sich in einer Stadt nicht zurechtzufinden, heißt nicht viel.
In einer Stadt sich aber zu verirren, wie man sich
in einem Walde sich verirrt, braucht Schulung.
Walter Benjamin
Wer durch seine Welt wandert, wo sie ihm bekannt ist, oder er sie erst kennenlernen will, geht
mit ihr eine sinnliche und emotionale Beziehung ein, macht sich Gedanken über sie und sich in
ihr. Die Erfahrung urbanen Gehens fordert den ganzen Menschen, beeinflusst Sinne, Gefühl
und Gedanken, fördert sie in Abhängigkeit der Umstände, die städtisches Leben ausmachen.
Die Stadt muss Sinn machen, weil sonst die Beziehung stirbt.
Brandenburg heißt eine Stadt, aber in Wirklichkeit ist Brandenburg eine Landschaft mit dem
Titel Mark. Brandenburg kenne ich erst seit fünf Jahren. Unsere Beziehung war vom ersten Tag
an eine leidenschaftliche. Ich wusste damals noch nicht, dass es möglich ist, mit einer
Landschaft eine emotionale Beziehung einzugehen. Wer zu Fuß durch geht, tritt mit seiner
Umgebung nicht nur in eine physische, sondern auch in eine emotionale Beziehung ein. Er spürt
den Boden unter seinen Sohlen, die wechselnde Temperatur, Wind und Regen im Gesicht oder
den Schweiß, der früher oder später seinen Körper bedeckt. Eine Fußreise, ob in der Stadt oder
auf dem Land, ist eine sinnlich ganzheitliche Erfahrung, eine akustisch bis visuelle Odyssee,
selbst ein haptisches Vergnügen, denn der Wanderer kommt nicht umhin, Gegenstände am Weg
zu berühren, auch wenn es manches Mal nicht mehr als eine Tasse Kaffee ist. Von den
Gerüchen einmal ganz zu schweigen, denn die sind unbeschreiblich. Die Erfahrung des Gehens
fordert den ganzen Leib. Dieser spürt sich mit einer Kakophonie angenehmer und
unangenehmer Sinneseindrücke konfrontiert, die eine ständige Sinngebung provozieren. Der
Wanderer streift nicht nur durch seine Umgebung, sie lagert ihrerseits ihre Sedimente in ihm
ab. Plötzlich bemerkt er: Er ist zu einem Teil von ihr geworden. Die eigene Umgebung hat es
verdient, gespürt und gekannt zu werden. Der Mensch muss sich dessen bewusst sein, was er
seiner Geographie zu verdankt.